Großstudie: Rassismus als Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts

Teilprojekt: Bürokratische Praktiken und Differenzmarkierung: eine videogestützte Organisationsethnografie in Bundes-, Landes- und kommunalen Behörden

Beschreibung des Gesamtvorhabens

Das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) untersucht im Auftrag des Bundesinnenministeriums (BMI) mit einer breit angelegten Studie ab dem 1. Oktober 2021 Rassismus in staatlichen Institutionen. Die Wissenschaftler:innen analysieren bis 2024 in 23 Einzelprojekten an neun Standorten in Deutschland Rassismus in Behörden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene und sein Gefährdungspotenzial für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Studie ist ein zentrales Vorhaben des im Mai 2021 von der Bundesregierung beschlossenen Abschlussberichts und Maßnahmenkatalogs des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus. Eine interministerielle Projektgruppe wird auf Arbeitsebene den Forschungsprozess fachlich begleiten. Der Forschungsprozess wird vom FGZ koordiniert und von Prof. Dr. Gert Pickel und Prof. Dr. Matthias Middell (Universität Leipzig) geleitet. Gemeinsam wollen die Forschenden des FGZ klären, inwieweit Rassismus in staatlichen Institutionen auftritt, Organisationen spaltet und den Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährdet. „Der Umfang und die Art und Weise wie es zu Diskriminierungen in Institutionen kommt, hängt sehr stark davon ab, wie eigentlich in einer Gesellschaft Konsens gebildet wird und welche Schwerpunkte eine Gesellschaft bei der Konstituierung des Zusammenhalts setzt“, sagt Studienleiter Matthias Middell. Hier liege die Stärke des FGZ mit seiner breiten interdisziplinären Expertise, „da es untersucht, wie und auf welcher Grundlage man sich in Deutschland aber auch in Nachbargesellschaften, gesellschaftlichen Zusammenhalt vorstellt und lebt. Dabei geht es ganz zentral um die Frage: Gehört die radikale Ablehnung von Rassismus zum gesellschaftlichen Konsens oder nicht?“ (vgl. https://www.fgz-risc.de/forschung/inra-studie)

Beschreibung des Teilprojekts

Alltagsrassismus vollzieht sich in kleinen Gesten, unglücklicher oder bewusst verletzender Wortwahl, in Blicken oder distanziertem Verhalten und kommt in interaktionalen, soziopraktischen und organisationsspezifischen Zusammenhängen zum Ausdruck. Das Forschungsinteresse richtet sich auf intendierte und nicht-intendierte Diskriminierungspraktiken, welche in die normativ geprägte Alltagskultur von Organisationen und in der Berufskultur der dort arbeitenden Professionellen eingebettet sind. Im Vordergrund der Untersuchung steht die unterschiedlich gestaltete Relevanzsetzung von sozialer Differenz, die sich häufig implizit und „unbeobachtet“ in bürokratischen Einrichtungen und deren Entscheidungsprozessen vollzieht. Mittels videogestützter teilnehmender Beobachtung werden standardisierte Verwaltungsabläufe und andere iterative Prozesse in der Bundesagentur für Arbeit (BA) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie deren Landes- und kommunalen Ansprechpartner:innen organisationssoziologisch untersucht. Neben der Konzentration auf interaktive Verfahren und Prozesse der Formation von sozialen Ereignissen (Fällen) in diesen Behörden wird ebenfalls die Bezugnahme auf Texte und Dokumente untersucht.

Beitrag zum Gesamtvorhaben „Rassismus in Institutionen und gesellschaftlicher Zusammenhalt“

Das Teilprojekt trägt zu einer grundlagen- und sozialtheoretische Analyse des Einflusses von bürokratischem Alltagsrassismus auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Vor diesem Hintergrund dient das Projekt dazu, Vergesellschaftungsprozesse im Hinblick auf etablierte Praktiken und Arrangements im Institutionenalltag wissenschaftlich sichtbar zu machen, zu problematisieren und lösungsorientiert zu analysieren. Das Verständnis von Diskriminierung von Behördenvertreter:innen steht damit auch zur Untersuchung. Folglich beteiligt sich unser Projekt an der Beantwortung der im Gesamtvorhaben adressierten Fragestellungen bezüglich der Dynamisierung des Rassismusverständnisses in Behörden. Mit dieser theoretischen Zielsetzung und dem geplanten anwendungsorientierten Output trägt das Projekt direkt zum Gesamtvorhaben anvisierten transdisziplinären Output bei.