Nachruf auf Jan Assmann

Der Fachbereich trauert um seinen Honorarprofessor Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jan Assmann

Nachruf auf Jan Assmann
 

Ein vertrauter Anblick, der lange im Gedächtnis bleiben wird: Wie Jan und Aleida Assmann bei Veranstaltungen nebeneinander sitzen, ein Bild partnerschaftlicher Eintracht, immer mittig in einer der vorderen Reihen, immer aufmerksam und konzentriert, auch wenn sie erst am selben Tag von einer ihrer vielen Reisen zurück gekommen sein mochten. Wie sie ins Gespräch vertieft jeden Morgen den steilen Weg von ihrem Haus in Egg zur Universität hinaufkommen oder, in den letzten Jahren, einen Spaziergang um den Hockgraben machen. Jan unverwechselbar mit seinem bedächtigen Schritt und schlohweißen Haar.

Auch in den vielen kleinen und großen Diskussionsrunden, in denen die beiden der Programmatik der Konstanzer Kulturwissenschaften über drei Jahrzehnte hinweg ihre Prägung verliehen, waren sie ein auf bewunderungswürdige Weise eingespieltes Team. Während Aleida ihre neuphilologische anglistische Expertise ins Spiel brachte und Bezüge zur Gegenwart herstellte, zog Jan der Kulturgeschichte Europas eine weithin vergessene Tiefenschicht ein. Wo man gewohnt ist, das geistige Erbe des Kontinents in der griechischen Antike verwurzelt zu sehen, erinnerte er an die noch weit älteren Traditionen, die durch das Judentum hindurch ins Alte Ägypten führten – die Welt eines monumentalen Totengedenkens, aus der Jan Assmann seine Theorie des kulturellen Gedächtnisses ableitete, deren Begriffe über die Wissenschaft hinaus zum Allgemeingut geworden sind und noch die aktuellsten politischen Debatten informieren. 

In Heidelberg, wo das Paar sich kennenlernte, hatte Jan Assmann von 1976 bis 2003 den Lehrstuhl für Ägyptologie inne. Mit der Berufung Aleidas an die hiesige Universität im Jahr 1993 verschob sich der Lebensmittelpunkt der siebenköpfigen Familie allmählich nach Konstanz. Von 2005 an war Jan der Konstanzer Universität zusätzlich durch eine Honorarprofessor für Religionstheorie und allgemeine Kulturwissenschaft verbunden. Dadurch hat sich die Verbindung zu ihm noch weiter vertieft. 

In gemeinsamen Seminaren wie auch in Gesprächen ließ Jan Assmann erst anderen das Wort. Aber wenn er dann einsetzte in seiner bescheidenen Art, mit einer leisen und ruhigen Stimme, wurde es ganz still im Raum. Seine fulminante Gelehrsamkeit ließ ihn ägyptische Inschriften und Textstellen aus der hebräischen Bibel ebenso frei zitieren, wie er ein Kolleg über die Opern Mozarts und Händels oder die Romane Thomas Manns halten konnte. 

In den letzten Jahren verwandelte sich das vertraute Bild. In der Corona-Zeit hielt das Paar Seminare vom heimischen Sofa aus ab. Das war auch der Ort, von dem aus man Jan Assmann, schon sehr von Krankheit gezeichnet, noch in jüngster Zeit erleben durfte. In der Nacht des 19. Februar ist er im Alter von 85 Jahren gestorben.