Soziale Ungleichheit. Empirische Analysen aktueller Trends

Vorlesungsreihe und Seminar an den Universitäten Konstanz und Leipzig

Benita Combet, Thomas Hinz (Universität Konstanz) & Andreas Diekmann, Felix Ries (Universität Leipzig)

Die Untersuchung von Entstehung, Ausmaß und Folgen sozialer Ungleichheit ist ein zentrales Thema der Soziologie. Das Seminar wurde als Vortragsreihe und in Zusammenarbeit der Universitäten Kon­stanz und Leipzig online (Zoom) durchgeführt. Die Vortragsreihe wurde zudem von der Aka­demie für Sozio­logie unterstützt. Im Mittelpunkt steht die Behandlung unterschiedlicher Aspekte so­zialer Ungleichheit. Neben Ein­kommens- und Vermögensungleichheit geht es u.a. um Gesundheit und Lebenserwartung, Bildung, kulturelle Teilhabe, Umweltqualität und weitere Ressourcen, die in Gesell­schaften begehrt, knapp und ungleich verteilt sind. Forscherinnen und Forscher verschiedener Universitäten haben ihre Ergebnisse zur Diskussion gestellt.

Übersicht aller Vorträge

Die Vorträge dauern ca. 45 Minuten, danach folgen ca. 45 Minuten für Nachfragen und Kommentare.

02.11.20 - Thomas Hinz (Universität Konstanz)

Wie ungleich wirken das Corona-Virus und seine Eindämmung? Evidenz aus Deutschland

In der Vergangenheit waren Pandemien häufig große Gleichmacher. Die Corona-Pandemie von 2020 verläuft zumindest - dies zeigen Daten des Center for Disease Control (CDC) - für die USA abhängig vom sozialen Status der Menschen. Der Vortrag trägt aktuelle empirische Eindrücke aus Deutschland zusammen. Zum Infektionsgeschehen, zu subjektiven Risikobewertungen und zu den sozio-ökonomischen Folgen der Eindämmungspolitik.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Thomas Hinz ist Professor für Empirische Sozialforschung mit Schwerpunkt Surveyforschung an der Universität Konstanz. Seine Forschung beschäftigt sich unter anderem mit Surveyexperimenten, Arbeitsmarktsoziologe, Sozialstrukturanalysie sowie Organisations- und Wissenssoziologie.

09.11.20 - Ben Jann (Universität Bern)

Umverteilungseffekte des Wohlfahrtstaats. Analysen der ökonomischen Situation von Haushalten mit Hilfe verknüpfter Registerdaten

Steuerdaten bieten ein grosses Potential für die Ungleichheitsforschung, das in der Schweiz jedoch bislang nur unzureichend genutzt wurde. Dies liegt einerseits an datenschutzrechtlichen Hürden. Andererseits sind Steuerdaten erst in Verbindung mit anderen Datenquellen z.B. zu Haushaltsstrukturen oder zu weiteren, in den Steuerdaten nicht deklarierten Einkommensquellen für Ungleichheitsanalysen aussagekräftig. Im SNF-Projekt «Ungleichheit, Armutsrisiken und Wohlfahrtsstaat» wurde deshalb eine neue Datengrundlage geschaffen, die Steuerdaten mit weiteren Administrativ- und Befragungsdaten (wie Bevölkerungsstatistik, Strukturerhebungen, Sozialhilfestatistik, etc.) auf Personenebene verbindet. Die neue Datengrundlage erlaubt es, Ungleichheitsstrukturen in den in die Studie einbezogenen Kantonen aus einer umfassenden Perspektive zu analysieren. In dem Vortrag werden das Datenmodell sowie der etwas steinige Weg zu seiner Realisierung beschrieben und es werden erste inhaltlich Resultate aus dem Projekt präsentiert.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Ben Jann ist Professor für Sozialstrukturanalyse an der Universität Bern. Zu seinen Forschungsinteressen gehört die Verknüpfung verschiedener Datenquellen, Surveyforschung sowie Bildungs-, Arbeits- und Berufssoziologie. Zusätzlich ist Ben Jann der Autor zahlreicher Stata Packages.

23.11.20 - Johannes Berger (Unversität Mannheim)

Einkommensungleichheit in Marktwirtschaften und ihre Messung

Einkommen sind in Marktwirtschaften ungleich verteilt, aber nicht immer ungleicher. Das zeigt u.a. der Blick auf die Einkommensverteilung in Deutschland. Wie ungleich Einkommen verteilt sind, hängt u.a. ab von dem Einkommenskonzept, der Gleichheitsvorstellung und dem Messverfahren. Alle geläufigen Ungleichheitsmaße implizieren Werturteile. Sie messen nicht die gesellschaftliche Wohlfahrt, aber ermöglichen eine ordinale Ordnung von Verteilungen.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Johannes Berger ist emeritierter Professor an der Universität Mannheim. Die Themen seiner Forschung sind soziologische Theorie, insbesondere Handlungs- und Ordnungstheorie, die Theorie gesellschaftlicher Steuerungsmechanismen, sozialer Wandel in Industriegesellschaften sowie Wirtschaftssoziologie.

30.11.20 - Claudia Diehl (Universität Konstanz)

Migration und soziale Ungleichheit

Auf vielen Ungleichheitsdimensionen schneiden Migrantinnen und Migranten und ihre Nachkommen besonders schlecht ab. Aber warum ist das so? In dem Vortrag wird ein Überblick über die wichtigsten Erklärungsansätze gegeben, die von kulturellen Faktoren über die selektive Einwanderung gering Qualifizierter bis hin zu Diskriminierungsprozessen reichen. Auf der Grundlage vorhandener empirisch robuster Befunde wird die relative Bedeutung dieser unterschiedlichen Faktoren diskutiert.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Claudia Diehl ist Professorin für Mikrosoziologie und Co-Sprecherin des Exzellenz-Clusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz. Zu ihren Forschungsinteressen gehören die eingliederungsprozesse von Zuwanderern, Phänomene der internationalen Migration sowie Prozesse ethnischer Grenzziehungen wie Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung.

07.12.20 - Peter Preisendörfer (Universität Mainz)

Umweltgerechtigkeit. Soziale Ungleichheiten lokaler Umweltbelastungen

In der Ungleichheitsforschung haben soziale Ungleichheiten bei lokalen Umweltbelastungen (Straßenverkehrslärm, Fluglärm, Industrieabgase, etc.) lange Zeit eine untergeordnete Rolle gespielt. Dies hat sich aber inzwischen geändert, und der Vortrag gibt einen Einblick in Fragestellungen, Methoden und Ergebnisse der diesbezüglichen Forschung.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Peter Preisendörfer ist Professor am Arbeitsbereich „Organisation von Arbeit und Betrieb“. Seine inhaltichen Schwerpunkte sind die Organisations- und Arbeitsmarktforschung, berufliche Selbstständigkeit, Existenzgründungen und Entrepreneurship, sozialwissenschaftliche Umweltforschung sowie quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung.

14.12.20 - Josef Brüderl (LMU München)

Entwicklung der Einkommensungleichheit in Deutschland

Die Vorlesung hat zwei Zielsetzungen: (1) Beschreibung der Entwicklung der Einkommensungleichheit (insbesondere in Deutschland) über die letzten Jahrzehnte. (2) Erklärungen für die Entwicklung der Einkommensungleichheit.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Josef Brüderl ist Professor für Quantitative Ungleichheits- und Familienforschung an der LMU München. Seine Forschung konzentriert sich auf soziale Ungleichheit bzw, Sozialstruktur, Familienforschung sowie quantitative Methoden empirischer Sozialforschung.

11.01.21 - Katrin Auspurg (LMU München)

Gender Pay Gap? Wissen und Wissenslücken

In Deutschland ist die geschlechtsspezifische Lohnlücke (der Gender Pay Gap) nach wie vor sehr ausgeprägt: Frauen erhalten im Mittel einen geringeren Stundenlohn als Männer. Aber warum? Bislang hat sich die Ursachenforschung stark auf eine mögliche Diskriminierung von Frauen durch Arbeitgeber konzentriert. In dem Vortrag wird nach einem kurzen Überblick über den Forschungsstand aufgezeigt, dass allerdings auch die (zeitlichen) Restriktionen der Arbeitnehmenden eine zunehmend wichtige Rolle spielen: Kürzere Arbeitszeiten (Teilzeit) motivieren insbesondere Frauen zur Annahme von Stellen, oftmals aber unter der Inkaufnahme von Lohnabstrichen. Mehr Wissen zu diesen Mechanismen scheint daher zentral für wirkungsvolle Interventionen: Wer entscheidet sich unter welchen Bedingungen für welche Arbeitszeiten, und warum hängen Arbeitszeiten überhaupt mit Stundenlöhnen zusammen? Der Vortrag diskutiert erste Antworten, u.a. basierend auf Theorien zu "compensating wage differentials" und Forschung mit Survey-Experimenten.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Katrin Auspurg ist Professorin für Quantitative Methoden der Empirischen Sozialforschung an der LMU München. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der Quantitative Methoden, insbesondere Surveys, Feld- und Surveyexperimente, Wissenschaftssoziologie (z.B. Publication Bias), Analytische Soziologie und soziale Ungleichheiten, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, Geschlechterungleichheit und Diskriminierung.

18.01.21 - Susanne Strauß (Universität Konstanz)

Geschlechterbeziehungenin der Coronakrise: Mehr Gleichberechtigung oder Re-Traditionalisierung?

Der Vortrag geht der Frage nach, wie sich die (wirtschaftliche) Corona-Krise auf die geschlechtsspezifische Aufteilung von Haus- und Familienarbeit in Deutschland und Italien ausgewirkt hat. Für beide Länder zeigen sich Hinweise auf verhandlungstheoretische Mechanismen, im Hinblick auf die Kinderbetreuung durch Mütter in Deutschland aber auch Tendenzen verstärkter Traditionalisierung.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Susanne Strauß ist Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Gender Studies an der Universität Konstanz. Im Zentrum der Forschungs- und Lehraktivitäten ihres Arbeitsbereichs stehen folgende Themengebiete: Geschlechterungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem, ländervergleichende Analysen der Arbeitsteilung von Paaren im Hinblick auf Erwerbsarbeit sowie unbezahlte Tätigkeiten, wie Pflegeaufgaben oder ehrenamtliches Engagement.

25.01.21 - Jörg Rössel (Universität Zürich)

Ungleichheit kultureller Teilhabe

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Jörg Rössel ist Professor für Soziologie an der Universität Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Sozialstrukturanalyse, Soziologische Theorie, Politische Soziologie, Kultursoziologie und historisch-vergleichende Soziologie.

01.02.21 - Marc Luy (Vienna Institute of Demograpy)

Soziale Ungleichheit in der Lebenserwartung. Analysen aus demographischer Forschung

Die soziale Schichtzugehörigkeit gilt als "fundamentale Ursache" für alle Arten von Differenzen in Gesundheit und Langlebigkeit. In dem Vortrag wird diese zentrale Bedeutung der sozialen Lage aus demographischer Perspektive beleuchtet.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Marc Luy ist Demograph am Vienna Institute of Demography. Thematisch forscht er hauptsächlich zu Gesundheit, Altern und Lebenserwartung.

08.02.21 - Andreas Diekmann (Universität Leipzig)

Globale Einkommensungleichheit. Milleniumsziele, Entwicklung, Policies

Nach einem Überblick über weltweite Trends sozialer Ungleichheit und Unterentwicklung werden sozialwissenschaftliche Ergebnisse aus Feldexperimenten vorgestellt. Im Bereich von Armutsbekämpfung, Gesundheit, Bildung und Klimawandel kann die Wirkung von Maßnahmen sehr viel genauer als bisher mit randomisierten Feldexperimenten abgeschätzt werden. Die Ergebnisse dieser Studien sind für „policies“ zur Erreichung der UN-Milleniumsziele und der Bekämpfung von Ungleichheit und Unterentwicklung von großer Bedeutung. Es gibt allerdings auch kritische Einwände, die in dem Vortrag zur Diskussion gestellt werden.

Die Folien zum Vortrag sind hier abrufbar.

Andreas Diekmann ist Senior Professor für Soziologie an der Universität Leipzig sowie emeritierter Professor der ETH Zürich. Zu seinen Forschungsinteressen gehören Theorien sozialer Kooperation, experimentelle Spieltheorie, Umwelt- und Bevölkerungssoziologie sowie die Methoden der empirischen Sozialforschung.