Thomas Luckmann
Thomas Luckmann

In Erinnerung an Thomas Luckmann

Die Universität Konstanz trauert um ihr langjähriges Mitglied, Prof. em. Dr. Thomas Luckmann, der am 10. Mai 2016 im Alter von 88 Jahren verstarb. Thomas Luckmann (geboren am 14. Oktober 1927 im heutigen Jesenice/Slowenien) studierte Philosophie, Germanistik, romanistische Sprachwissenschaft und Literatur, vergleichende Linguistik und Psychologie an den Universitäten Wien und Innsbruck sowie seit 1949 an der New School for Social Research in New York, wo er den Soziologen Alfred Schütz kennen lernte.

Nach seiner dortigen Promotion in Soziologie im Jahr 1956 lehrte er von 1960–65 an der Soziologischen Fakultät der New School. 1965 kehrte er aufgrund eines Rufs an die Universität Frankfurt nach Europa zurück, wechselte aber bereits 1970 an die noch junge Universität Konstanz, an der er bis zu seiner Emeritierung 1994 als Professor für Soziologie wirkte. Hier war er unter anderem treibende Kraft bei der Gründung des Sozialwissenschaftlichen Archivs Konstanz.

Luckmann ist einer der bedeutendsten Vertreter der deutschsprachigen Nachkriegssoziologie und zählte schon zu Lebzeiten weltweit zu den Klassikern der soziologischen Disziplin. Zu Luckmanns wichtigsten seiner zahlreichen Schriften gehören die zusammen mit Peter L. Berger verfasste, zum Kanon der Soziologie zählende wissenssoziologische Publikation „The Social Construction of Reality“ (1966), ferner „The Invisible Religion“ (1967), die eine Neubegründung der Religionssoziologie einleitete, sowie das von seinem Lehrer Alfred Schütz begonnene und von Luckmann vollendete Standardwerk der phänomenologisch fundierten Soziologie „Strukturen der Lebenswelt“ (1975/1984). „The Social Construction of Reality“ wurde in 13 Sprachen übersetzt und von der American Sociological Association zu einem der zehn wichtigsten Bücher der Soziologie gewählt.

Der Name Thomas Luckmann ist unmittelbar mit der Konstanzer Soziologie verbunden, die er entscheidend durch sein 24 Jahre anhaltendes Wirken in Forschung und Lehre an der Universität Konstanz prägte. Luckmann begründete das Programm einer humanwissenschaftlichen, phänomenologisch wie anthropologisch fundierten Sozialwissenschaft mit empirischer Ausrichtung und gesellschaftstheoretischem Anspruch. Dieses Programm prägte das Denken zahlreicher Soziologinnen und Soziologen. Auch die interdisziplinäre Forschung an der Universität Konstanz profitierte von Thomas Luckmann, was u.a. in einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit Literaturwissenschaftlern und Philosophen im Sonderforschungsbereich „Literatur und Anthropologie“ zum Ausdruck kam. Mit Thomas Luckmann verlieren Universität und Fachbereich einen menschlich wie fachlich einzigartigen und herausragenden Kollegen

Jochen Dreher / Christian Meyer / Hans-Georg Soeffner